Bei der Kaskoversicherung gilt: Der Autoversicherer muss nicht für den Schaden und seine Regulierung aufkommen, wenn ein Autofahrer grob fahrlässig handelt. Es sei denn…
Genau über dieses „denn“ will dieser Ratgeber Aufschluss geben und darüber informieren, was bei grober Fahrlässigkeit zu beachten ist. Außerdem will er die Frage beantworten: Welche wichtigen Ausnahmen es bei der Schadensregulierung bei grober Fahrlässigkeit trotz Verzichtsklausel gibt?
Nach wie vor ist die Kaskoversicherung, anders als die Kfz-Haftpflicht selbst, keine Pflichtversicherung in Deutschland. Dennoch halten nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. 80 Prozent der bundesdeutschen Autofahrer einen solchen Kaskoschutz für sinnvoll.
Was grobe Fahrlässigkeit per Definition ist
Um grob fahrlässiges Verhalten im Straßenverkehr von fahrlässigem Verhalten unterscheiden zu können, bedarf es einer Definition. An dieser können sich die Gerichte orientieren, um in Streitfällen eine Linie für eine Entscheidung zu finden.
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Die Redaktion „Finanztest“ hat dies in ihrer Ausgabe 3/2015 als »unentschuldbare Fehler« bezeichnet. D. h. es wird die Sorgfalt, die sonst üblich ist, in einem »ungewöhnlichen hohen Maße verletzt« und es wird unterlassen, »was jedem als selbstverständlich einleuchten müsste«. Dann kann von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden.
Trotz des Orientierungspunktes haben am Ende die Richter, darüber zu entscheiden, ob ein Verstoß, der zu einem Unfall oder einem Schaden am Fahrzeug führte, wirklich
grob fahrlässig war oder
nur fahrlässig.
Was für die Regulierung des Schadens im Falle der Kaskoversicherung eine wichtige Rolle spielt.
Kaskoversicherung muss bei grober Fahrlässigkeit nicht zahlen
Die Teil- und Vollkasko werden zusätzlich zur Kfz-Versicherung abgeschlossen und übernehmen die Schäden in den jeweilig im Vertrag vorgesehen Fällen.
Bei grober Fahrlässigkeit muss die Kaskoversicherung den Schaden jedoch nicht übernehmen. Sie kann die Schadensregulierung zwar vornehmen, den Versicherten danach aber in Regress nehmen für die entstandenen Kosten.
Nach wie vor ist das Thema »grobe Fahrlässigkeit« ein strittiger Punkt, der oftmals erst vor Gericht entschieden wird. Autoversicherer und -fahrer haben hier oft sehr verschiedene Ansichten der gleichen Medaille, was nun grob fahrlässig ist, oder möglicherweise doch »nur fahrlässig«.
In den vergangenen Jahren haben deutsche Gerichte zahlreiche Urteile zu diesem Punkt gefällt, einige davon sind unter dem weiter untenstehenden Punkt »Beispiele für grobe Fahrlässigkeit« aufgeführt.
Trotz grober Fahrlässigkeit ist es mittlerweile möglich, dass die Kaskoversicherung die Schäden aus solch selbstverursachten Schäden übernimmt. Hierzu gibt es die Möglichkeit, eine so genannte Verzichtsklausel in den Versicherungsvertrag mit aufzunehmen.
Die Verzichtsklausel in der Kaskoversicherung
Die Kaskoversicherung muss in Fällen grob fahrlässigen Handelns von Versicherten nicht bezahlen. Diese haben jedoch die Möglichkeit, in den Vertragsdetails den »Verzicht auf die Einrede der Versicherung im Falle grober Fahrlässigkeit« festschreiben zu lassen. D. h. der Autoversicherer verzichtet bei Schäden, die aus grober Fahrlässigkeit verursacht wurden, auf seine Möglichkeit der Einrede und übernimmt die Schadensregulierung.
Dies hat zur Folge, dass es gar nicht erst zu Streitfällen um nicht grob fahrlässig oder nur fahrlässig kommt bei Schadensfällen.
Der Verzicht der Einrede der Versicherung im Falle grober Fahrlässigkeit hat natürlich den Preis eines höheren Versicherungsbeitrags. Doch wer richtig rechnet, der merkt schnell, dass er lieber den Aufpreis dafür in der Kaskoversicherung bezahlt, anstatt am Ende selbst den ganzen Schaden oder zumindest einen Teil des Schadens übernehmen zu müssen.
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Durch diese wichtige Klausel verzichtet der Versicherer bei Fällen grober Fahrlässigkeit oder seiner Annahme nach grob fahrlässigen Verhaltens des Versicherten auf seine Möglichkeit der Einrede. Stattdessen übernimmt er die Regulierung des Schadens, ohne den Autofahrer selbst dafür später in Regress zu nehmen, oder bei Streitfällen in Klage zu gehen.
Trotz Verzichtsklausel muss der Autoversicherer nicht immer bezahlen!
Doch Klausel hin, Klausel her. Nicht immer muss die Kaskoversicherung den Schaden übernehmen, selbst wenn im Vertrag die Verzichtsklausel enthalten ist. Dies sollte den versicherten Autofahrern unbedingt bewusst sein, bevor sie sich selbst aufs Glatteis begeben mit ihrem grob fahrlässigen Verhalten, so hart das auch klingen mag.
Die Verzichtsklausel hat keine Wirkung bei den Fällen, in denen unter Einfluss von Alkohol oder Drogen Unfälle verursacht werden. Diese werden nicht von der Kaskoversicherung übernommen, so sehr sich der Versicherte auch querstellen und auf die Klausel verweisen mag.
Hier haben die Versicherer eine klare Linie gezogen, welche nicht überschritten werden darf, will man nicht auf den Verzicht der Einrede des Autoversicherers verzichten wollen.
D. h. Alkohol und Drogen haben, Verzichtsklausel hin oder her, am Steuer nichts zu suchen. Es sei denn, man möchte den Versicherungsschutz seiner Kaskoversicherung riskieren.
Mit der Verzichtsklausel fährt es sich beruhigter!
Grobe Fahrlässigkeit geschieht nicht immer mit Absicht. Manchmal überfährt man aus Unachtsamkeit eine rote Ampel oder begeht einen der anderen Fahrfehler, welche als grob fahrlässig gewertet werden. Um dann nicht selbst für einen Schaden aufkommen zu müssen, ist es zu empfehlen, bereits zum Abschluss der Kaskoversicherung diese Klausel aufnehmen zu lassen. Dies bedeutet zwar einen etwas höheren Versicherungsbeitrag, dafür eine bessere Absicherung, gerade wenn einem solche »Schnitzer« beim Fahren passieren.
Beispiele für grobe Fahrlässigkeit anhand von Gerichtsurteilen
Erhebliches Überschreiten des Tempolimits: OLG Düsseldorf, Az. 4U 1981 99
Überholen an übersichtlichen Stellen, vor allem bei feuchter Fahrbahn: OLG Düsseldorf, Az. 4U 235/9
Während der Fahrt nach einer heruntergefallenen Zigarette suchen: Landgericht Lüneburg, Az. 8 O 57 / oz
Liegen bleiben mit leerem Tank auf der Autobahn: OLG Hamm, Az. z7 U 55/93
Während der Fahrt nach Papieren im Handschuhfach suchen: OLG Stuttgart, Az.7 U tr8/98
Bedienen des Navigationsgeräts während der Fahrt. Einstellungen am Navi müssen VOR der Fahrt vorgenommen werden, so die Richter: Landgericht Potsdam, Az.6O Zz/og
Gegen die Decke eines Tunnels krachen mit einem Miet-Lkw, weil der Lkw zu hoch war: Landgericht Hagen, Az.7 S 3t/tz
Während der Fahrt auf der Autobahn den Fahrersitz verstellen: OLG Saarbrücken, Az.5 U 3oo/o3
Einen Schaden am Motor des Fahrzeugs riskieren, weil eine Unterführung durchfahren wird, die überflutet ist: OLG Frankfurt am Main, Az.l U Sl/gg
Parken ohne Einlegen eines Ganges und kräftigen Anziehens der Handbremse: OLG Hamburg, Az. t4 U rtz / o 4
Ein Hund durfte mitfahren im Fußraum vor dem Beifahrersitz: OLG Nürnberg, Az.8 U t+82/gZ
Dies sind nur einige Fälle von grober Fahrlässigkeit von Autofahrern, welche vor Gericht landeten und gegen den Versicherten entschieden wurden. Weitere Fälle dürften folgen, wenn sich der Autoversicherer und der Versicherte bei der Schadensregulierung der Kaskoversicherung nicht einig sind.
Deshalb unser Rat: Nehmen Sie bei Abschluss der Kaskoversicherung direkt den Verzicht der Einrede der Versicherung im Falle grober Fahrlässigkeit auf. Dann kommt es in solchen Fällen erst gar nicht zu Streit- und in deren Folge zu möglichen Klagefällen!
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Wie sieht es mit der Kfz-Versicherung in Sachen grober Fahrlässigkeit aus?
Während die Kaskoversicherung im Falle grob fahrlässigen Verhaltens die Übernahme des Schadens verweigern kann, sieht es bei der Kfz-Haftpflicht anders aus. Hier muss der Autoversicherer für die durch ihren Versicherten entstandenen Schäden aufkommen. Die Kfz-Versicherung hat aber die Möglichkeiten, den Versicherten bei grober Fahrlässigkeit in Regress zu nehmen. Dies kann unterschiedlich teure Folgen für den Autofahrer haben, der grob fahrlässig einen Unfall verschuldet und/oder sich nach einem Unfall grob fahrlässig verhalten hat.
Per Regress kann die Kfz-Haftpflicht im Normalfall bis zu 5.000 Euro vom Versicherten zurückfordern. Bei schweren Fällen grober Fahrlässigkeit haben deutsche Gerichte jedoch noch eine Schippe draufgelegt und dem Autoversicherer eine höhere Regressforderung zugestanden.
Ein entsprechendes Urteil hat z.B. das Oberlandesgericht Celle gefällt. Unter dem AZ 8 U 79/09 stellten die Richter des OLG fest, dass der Autoversicherer höher in Regress gehen kann. Bei dem Unfall hatte sich der Autofahrer wegen eines »Bagatellschadens« vom Unfallort entfernt. Das Gericht in Celle gestand der Kfz-Haftpflicht eine Regressforderung von 5.000 Euro zu, da der Autofahrer den Unfall unter Alkoholeinfluss (0,9 Promille) verursacht hatte. Weitere 2.500 Euro konnte der Autoversicherer als Regressforderung ansetzen, da sich der Versicherte vom Unfallort entfernt und damit Unfallflucht begangen hatte. Die Richter des OLG Celle gingen sogar noch weiter und erklärten in ihrer Urteilsbegründung, dass die Versicherung im Falle von Verletzten weitere 2.500 Euro Regress hätte fordern können.
Autoversicherung mit Kaskoschutz anhand der Verzichtsklausel vergleichen
Der Verzicht der Einrede der Versicherung im Falle grober Fahrlässigkeit ist ein wichtiger Punkt bei der Kaskoversicherung. Diese Klausel macht den Kaskoschutz auf den ersten Blick teurer, ist aber empfehlenswert.
Wer die Verzichtsklausel im Vertrag zu seiner Kaskoversicherung haben möchte, der kann mit diesem gezielten Tarifmerkmal im Gepäck den Weg eines gezielteren Versicherungsvergleichs gehen. D. h. die Kfz-Versicherung mit einem solchen Kaskoschutz vergleichen und nicht nur rein den Tarif der Kfz-Haftpflicht plus Kaskoversicherung.
Unter dem Strich zeigt sich dann, dass es günstige Autoversicherungen gibt mit einer guten Abdeckung im Schadensfall plus einem guten Kaskoschutz, inklusive der Verzichtsklausel.
Zum Vergleichen der verschiedenen Möglichkeiten ist ein Kfz-Rechner zu empfehlen, der viele verschiedene Versicherungstarife miteinander vergleichen. Einen solchen Rechner für die Kfz-Versicherung finden Sie hier.
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Fazit
Vor grober Fahrlässigkeit ist kein Mensch gefeit. Manchmal sind wir einfach nur schusselig oder mit unseren Gedanken woanders. Schnell ist dann passiert, was nicht passieren sollte bzw. darf und ein Unfall geschieht. Um dann nicht in finanzielle Bedrängnis zu geraten, ist bei der Kaskoversicherung die Aufnahme der Verzichtsklausel in den Versicherungsvertrag zu empfehlen. Dies kostet ein wenig mehr gegenüber dem normalen Tarif der Autoversicherung. Dafür ist der Kaskoschutz dann auch auf jene Schadensfälle ausgeweitet, die durch grob fahrlässiges Verhalten des Versicherten verursacht wurden.
Ausnahme dabei: Fahren unter Einfluss von Alkohol und Drogen!