Finanzgericht Münster (Az. 11 K 3235/14 E)
Bei Außendienstmitarbeitern ist der Betriebssitz des Arbeitgebers als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen
In den vergangenen Wochen wurden gleich mehrere Gerichtsprozesse in Verbindung mit der Frage geführt, ob und in welchen Fällen ein Werbungskostenabzug lediglich in Höhe der sogenannten Entfernungspauschale zulässig ist und wann die Kilometerpauschale angewendet werden darf, welche für den Steuerzahler deutlich vorteilhafter ist.
Dazu muss man wissen: Die Entfernungspauschale wird im Volksmund auch als Pendlerpauschale bezeichnet. Nach dem deutschen Einkommensteuerrecht werden damit Aufwendungen steuerlich abgegolten, die für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anfallen. Somit mindert die Entfernungspauschale die zu versteuernden Einkünfte. Sie kann sowohl von Arbeitnehmern also auch von Selbstständigen in Anspruch genommen werden und gilt unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige zu Fuß oder mit einem beliebigen Verkehrsmittel (auch öffentliche Verkehrsmittel) zu seiner Arbeitsstätte gelangt.
Allerdings gibt es dabei Einschränkungen: Die Entfernungspauschale kann nur für Tage angesetzt werden, an denen der Arbeitnehmer bzw. der Selbstständige auch tatsächlich seine Arbeitsstätte aufsucht. Zudem wird sie für jeden Arbeitstag nur einmalig angesetzt und berücksichtigt nur die vollen Kilometer der einfachen Entfernung. Es können mit ihr also nicht die tatsächlich gefahrenen Kilometer abgerechnet und dementsprechend steuerlich berücksichtigt werden.
Die sogenannte Kilometerpauschale dagegen darf bei einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit verwendet werden, die mit dem eigenen Fahrzeug durchgeführt wird. Im Gegensatz zur Entfernungspauschale können hierbei die tatsächlich gefahrenen Kilometer abgerechnet werden, also sowohl für den Hinweg als auch für den Rückweg. Doch Vorsicht: Diese Pauschale gilt nicht für den zuvor beschriebenen Weg zur regelmäßigen Arbeitsstätte. Für diesen darf ausschließlich die Entfernungspauschale zur Steuerminderung angesetzt werden.
Nicht in jedem Fall ist die Trennung allerdings so einfach zu vollziehen, wie es hier theoretisch beschrieben wird. Wie verhält es sich beispielsweise, wenn ein Außendienstmonteur arbeitstäglich den Betriebssitz seines Arbeitgebers aufsucht, um von dort aus mit einem Firmenfahrzeug seine jeweiligen Einsatzorte anzusteuern? Kann man in diesem Fall trotzdem von einer regelmäßigen Arbeitsstätte sprechen, obwohl der Monteur seine Arbeit eigentlich beim Kunden und nicht am Betriebssitz des Arbeitgebers verrichtet?
Mit solchen und ähnlich gelagerten Fällen hatten sich bereits mehrere Gerichte auseinanderzusetzen. So auch das Finanzgericht Münster, welches in folgendem Fall ein Urteil zu fällen hatte:
Der Fall
Kläger war ein Außendienstmonteur, der im betreffenden Jahr an jedem Arbeitstag zunächst mit seinem privaten Fahrzeug den Firmensitz des Arbeitgebers ansteuerte, um dort einen dienstlichen PKW zu übernehmen. Mit diesem PKW steuert er dann die Kunden an, bei denen er seine Arbeitseinsätze verrichtete. Kurz vor Feierabend brachte er das Firmenfahrzeug wieder zurück zum Arbeitgeber und trat von dort aus im eigenen Pkw den Heimweg an.
In seiner Einkommensteuererklärung für das betreffende Jahr berechnete der Steuerpflichtige jedoch die Pauschale von 0,30 Euro für jeden tatsächlich gefahrenen Kilometer in Form von Werbungskosten. Seiner Meinung nach seien die Fahrten im privaten PKW zur Betriebsstätte seines Arbeitgebers nicht unter die Regelung „Fahrten zur tatsächlichen Arbeitsstätte“ gefallen, da der Firmensitz des Arbeitgebers nicht seine tatsächliche Arbeitsstätte sei.
Das zuständige Finanzamt erkannte die steuerliche Geltendmachung in Form der Kilometerpauschale jedoch nicht an und rechnete die Strecken in Form der einfachen Entfernungspauschale ab, wodurch sich die steuerliche Anrechenbarkeit für den Steuerpflichtigen deutlich verringerte. Dies wollte er nicht hinnehmen und klagte deshalb vor dem Finanzgericht Münster.
Der Rechtsvertreter des Steuerpflichtigen machte im Zuge des Verfahrens deutlich, dass sein Mandant keine regelmäßige Arbeitsstätte habe. Insbesondere der Betriebssitz des Arbeitgebers könne in diesem Zusammenhang nicht als regelmäßige Arbeitsstätte angesehen werden, da der Steuerpflichtige hier nur einen vergleichsweisen geringen Teil seiner täglichen Arbeitszeit verbringe. Vielmehr seien die regelmäßigen Arbeitsstätten bei den verschiedenen Kunden zu finden, die sein Mandant mit einem Firmenwagen von der Betriebsstätte des Arbeitgebers aus ansteuere. Erst hier käme also die Regelung zum Tragen, nach der lediglich die einfache Entfernung und nicht die für den Steuerpflichtigen günstigere Kilometerpauschale anzuwenden sei.
Die Richter am Finanzgericht Münster sahen dies allerdings anders und folgten den Ausführungen des Finanzamtes des Klägers. Die Klage wurde somit abgewiesen. Nach Meinung des Gerichtes sei es korrekt, im hier vorliegenden Fall lediglich einen Werbungskostenabzug in Höhe der Entfernungspauschale anzuerkennen. Im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen bezogen sich die Richter insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, und hier auf die neuere Rechtsprechung, nach der ein Arbeitnehmer nur noch eine einzige regelmäßige Arbeitsstätte haben könne. Entscheidend für die Einordnung dieser Arbeitsstätte sei, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers befinde. Führt der Betroffene verschiedene Tätigkeiten an verschiedenen Orten aus, so sei für die Einordnung der Tätigkeitsstätte maßgeblich, welche Gewichte den einzelnen Tätigkeiten jeweils zukommen.
Auf den hier verhandelten Fall bezogen bedeutet das nach Meinung des Gerichts: Der qualitative Mittelpunkt der Arbeitstätigkeit liegt hier zwar nicht direkt am Betriebssitz des Arbeitgebers (er liegt also – wie bereits angedeutet – in den einzelnen Einsatzorten beim Kunden), allerdings könne sich jeder Angestellte, der in diesem Zusammenhang Bürotätigkeiten am Betriebssitz seines Arbeitgebers verrichtet, auf die täglichen Fahrten zu seiner Betriebsstätte entsprechend einrichten und damit die Kosten minimieren. Die neuere Rechtsprechung sei daher insofern zu berücksichtigen, dass sie auch für den hier vorliegenden Streitfall zum Einsatz kommt.
Rechtliche Würdigung
Bei Rechtsexperten stößt dieses Urteil größtenteils auf Unverständnis. Schließlich kommt es nach deren Meinung nicht darauf an, ob sich der Arbeitnehmer auf seine täglichen Fahrten zu seiner Betriebsstätte einrichten und die Kosten entsprechend anpassen oder minimieren kann, sondern gemäß der gesetzlichen Lage darauf, ob es sich bei der Betriebsstätte um seinen Arbeitsmittelpunkt handelt. Wer jedoch lediglich beispielsweise eine Stunde vor dem eigentlichen Arbeitsantritt am Betriebssitz des Arbeitgebers Bürotätigkeiten ausführt, bevor er seiner Arbeit beim Kunden nachgeht, für den liegt der Arbeitsmittelpunkt ganz sicher nicht in dieser Betriebsstätte. Insofern bleibt abzuwarten, ob andere Gerichte – möglicherweise höhere Instanzen – den Sachverhalt hier genauso sehen.