OLG Frankfurt (Az. 3 U 27/06)
Regulierung von Schäden im Rahmen einer Vollkaskoversicherung bei Unfallflucht
Grundsätzlich gilt: Fahrerflucht ist kein Kavaliersdelikt. Im Gegenteil: Fahrerflucht stellt ein äußerst schwerwiegendes Delikt dar, dass entsprechend zu verfolgen und zu ahnden ist. Doch nicht jede Unfallflucht ist gleich gelagert. Und auch nicht jede Unfallflucht wirkt sich gleich auf die durch den Halter abgeschlossene Versicherung für das Fahrzeug aus. Das gilt natürlich auch für eine Vollkaskoversicherung.
Die hier angeführten Thesen wurden kürzlich durch einen Fall bestätigt, der vor dem OLG Frankfurt a. M. verhandelt wurde. Folgender Sachverhalt lag dem Gerichtsverfahren zugrunde:
Eine Versicherte erlitt mit ihrem Fahrzeug einen Blechschaden, weil sie auf eisglatter Straße in eine Leitplanke fuhr. Nach dem Unfall blieb sie für eine geraume Zeit an der Unfallstelle und informierte die Polizei. Diese hatte jedoch zur besagten Zeit alle Hände voll zu tun, da sich durch die widrigen Straßenverhältnisse zahlreiche Unfälle in der Umgebung ereignet hatten. Aus diesem Grund fuhr die Versicherte weiter und meldete den Schaden im Anschluss ihrer Versicherung. Sie forderte die Regulierung im Rahmen der Vollkaskoversicherung.
Die Versicherung stellte sich jedoch quer und wollte den Schaden aufgrund einer angeblichen Unfallflucht der Beteiligten zunächst nicht regulieren. Die Versicherte verklagte daraufhin ihren Versicherer und zog vor Gericht.
Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. stellte in zweiter Instanz fest: In diesem Fall bestehe per se zwar eine Unfallflucht, diese sei allerdings deutlich von anderen Unfallfluchten zu unterscheiden. Zudem müsse man die hier bestehende Unfallflucht aus der Sicht und im Interesse der Versicherungsgesellschaft sehen. Dabei werde deutlich, dass das so genannte Aufklärungsinteresse der KFZ-Versicherung hiervon keineswegs betroffen ist. Das bedeutet konkret: Jede Versicherung hegt ein Interesse an der Aufklärung eines Versicherungsfalls, damit sich klar und deutlich herauskristallisiert, ob die im Versicherungsvertrag dargelegten Bedingungen erfüllt sind und die Versicherung letztendlich ihre Leistung ausschütten muss.
In dem hier vorliegenden Fall allerdings wurde dieses Aufklärungsinteresse schon allein dadurch befriedigt, dass zum einen in dem Unfall kein anderer Verkehrsteilnehmer involviert war, und die Versicherte zum anderen selbst nach dem Unfall die Polizei gerufen hatte. Den Umstand, dass die Polizei zur betreffenden Zeit keine Möglichkeit hatte, den Unfall in einer angemessenen Zeit aufzunehmen, hatte die Versicherte nicht zu verantworten. Es liegt nach dem Gesetzt also eine Unfallflucht vor, allerdings ist diese völlig anders zu bewerten, als wenn sich z. B. ein Versicherter in voller Kenntnis des von ihm verursachten Schadens vom Unfallort entfernt, ohne sich im andere Unfallbeteiligte zu kümmern und/oder die Polizei zu informieren. Das dürfte jedem Autofahrer einleuchten.
Für Verbraucher ergibt sich somit der Tipp: Auch weiterhin bleibt Fahrerflucht ein äußerst brisantes Delikt, das harte Strafen nach sich ziehen kann. Entfernen Sie sich daher keinesfalls von einem Unfallort – insbesondere dann nicht, wenn andere Verkehrsteilnehmer an diesem Unfall beteiligt sind und/oder die Polizei noch nicht benachrichtigt wurde. In einem Sonderfall, wie er hier dargelegt wurde, kann jedoch eine Fahrerflucht "milder" beurteilt werden, als sie es eigentlich wird. In diesem Fall kann sich auch die beteiligte Versicherung nicht auf diese Fahrerflucht berufen und somit ihre Leistung verweigern.