Oberlandesgericht Saarbrücken (Az. 4 U 405/12)
Teilung der Haftung bei einem Verkehrsunfall infolge Unaufklärbarkeit des Unfallhergangs
Wenn zwei Fahrzeuge kollidieren und der Unfallhergang nicht eindeutig aufgeklärt werden kann, wird die Haftung in zwei gleiche Teile aufgeteilt. So jedenfalls sah es das Oberlandesgericht Saarbrücken, welches kürzlich einen derart gearteten Fall zu verhandeln hatte.
Diesem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde
An einer Engstelle, bei der die Fahrbahn in ihrer Breite durch jeweils am Straßenrand geparkte Fahrzeuge deutlich eingeschränkt wurde, kam es zu einem Unfall zwischen dem Fahrer eines BMW sowie dem Fahrer eines Transporters, Marke Mercedes Sprinter. Nach der Kollision hatten beide Fahrzeugführer unterschiedlicher Auffassungen, wie es zu dem Unfall kam bzw. wer die Schuld daran trägt.
Der Fahrer des Transporters beispielsweise war der Meinung, dass sein Unfallgegner vor dem Hindernis hätte warten müssen, um den Gegenverkehr zunächst passieren zu lassen. Dies hatte er allerdings nicht getan, wodurch er die alleinige Schuld für die Kollision trage. Der Fahrer des BMW sah dies naturgemäß ganz anders. Seiner Meinung nach sei er längst an den Hindernissen vorbeigefahren, als es schließlich zur Kollision kam. Die Kollision war seiner Meinung nach dadurch ausgelöst worden, dass der Fahrer des Transporters zu weit auf seinem Fahrstreifen unterwegs war. Da sich beide Fahrzeugführer nicht einigen konnten, ging der Fall vor Gericht.
Zunächst hatte sich das Landgericht Saarbrücken damit zu befassen. Dieses kam zu dem Urteil, dass der BMW-Fahrer ein Haftungsanteil von zwei Dritteln zu tragen habe. Laut Meinung der Richter hätte der BMW-Fahrer den Transporter zunächst vorbeifahren lassen müssen. Dieser wollte das Urteil des Landgerichts jedoch nicht hinnehmen und legte Berufung ein.
Die folgende Instanz war das Oberlandesgericht Saarbrücken. Hier entschieden die Richter schließlich, dass beide Fahrer jeweils zur Hälfte für den Unfall haften müssen. Grund für dieses Urteil sei, dass der Unfallhergang durch das Gericht im Nachhinein nicht mehr eindeutig feststellbar gewesen sei. Insbesondere könne nicht genau nachgewiesen werden, mit welcher Geschwindigkeit die Fahrzeuge unterwegs waren und wo die genaue Kollisionsstelle gelegen habe.
Da der Unfall nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren sei, bestehe die Möglichkeit, dass beide Fahrer gegen die StVO verstoßen hätten. So habe der BMW-Fahrer u. U. gegen § 6 StVO verstoßen, da er an einem Hindernis nicht gehalten habe, um das entgegenkommende Fahrzeug links vorbeifahren bzw. durchfahren zu lassen. Doch auch der Fahrer des Transporters habe nach Ansicht der Richter möglicherweise gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) verstoßen. Grundsätzlich müsse sich ein Verkehrsteilnehmer bei beengten Fahrbahnstellen auf Gegenverkehr einstellen und deshalb möglichst weit rechts fahren, um eine Kollision zu vermeiden. Da der Sprinter-Fahrer dies u. U. aber nicht getan habe, wäre eine Mitschuld seinerseits an der Kollision denkbar.
Aufgrund dieser Tatsachen gab das Gericht beiden Fahrzeugführern jeweils eine Teilschuld, und zwar zu gleichen Teilen von je 50 Prozent. Trotz ausführlicher Schilderung des angeblichen Sachverhaltes im Verfahren von beiden Seiten sahen sich die Richter nicht dazu in der Lage, die Schuldfrage eindeutig zu klären. Die beiden "Streithähne" dürfte das nicht wirklich zufriedenstellen, schließlich müssen sie sich ja auch noch die – nicht unerheblichen – Gerichtskosten teilen. Wohl dem, der eine Rechtschutzversicherung abgeschlossen hat!