Sachverständigenverfahren in der KFZ-Versicherung
Für Meinungsverschiedenheiten technischer Natur sehen die Versicherungsbedingungen ein Sachverständigenverfahren vor. Eine Meinungsverschiedenheit über die Schadenhöhe (und nur nur für solche ist das Sachverständigenverfahren vorgesehen) liegt vor, wenn Versicherer und Versicherungsnehmer im Hinblick auf den entstandenen Schaden und damit auch die Entschädigungsleistung unterschiedliche Auffassungen vertreten. Geht der Versicherungsnehmer zum Beispiel von einem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 12.000 Euro aus und veranschlagt der Versicherer zugleich 10.000 Euro, liegt eine Meinungsverschiedenheit vor.
Der Ablauf des Sachverständigenverfahrens ist in den Versicherungsbedingungen im Abschnitt A.2.17 geregelt. Er gestaltet sich wie folgt:
- Der Versicherer und der Versicherungsnehmer benennen innerhalb von zwei Wochen jeweils einen Kraftfahrzeugsachverständigen. Hält eine der beiden Parteien diese Frist nicht ein, bestimmt die andere Partei auch den zweiten Sachverständigen. Die Frist beginnt, wenn eine Partei das Verfahren unter Benennung eines Sachverständigen ausruft.
- Die beiden Sachverständigen erstellen eigenständig Gutachten. Weichen diese voneinander ab, versuchen sie, zu einer Einigung zu gelangen. Einigen sich die beiden Sachverständigen, ist ihre Entscheidung für beide Parteien verbindlich.Gelangen sie nicht zu einer Einigung, entscheidet ein weiterer, als Obmann eingesetzter Sachverständiger. Dieser soll vor dem Beginn des Verfahrens von den beiden Sachverständigen bestimmt werden. Einigen sich die beiden Sachverständigen nicht auf einen Obmann, wird dieser vom zuständigen Amtsgericht bestimmt. Die Entscheidung des Obmanns muss sich innerhalb der beiden von den Sachverständigen ermittelten Beträge bewegen. Sie ist für beide Parteien verbindlich.
- Die Kosten des Sachverständigenverfahrens werden „im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen“ aufgeteilt. Einigen sich beide Sachverständige auf einen Betrag genau in der Mitte, werden die Verfahrenskosten hälftig aufgeteilt.
- Eine gerichtliche Überprüfung des Ergebnisses ist in der Regel nur möglich, wenn die Entscheidung der Sachverständigen oder des Obmanns offensichtlich falsch sind und beispielsweise von einem falschen Fahrzeugtyp ausgegangen wurde.
Die überwiegende Mehrzahl der Versicherungsnehmer bedient sich im Streitfall nicht der Option des Sachverständigenverfahrens. Dabei sind die Erfolgsaussichten, wenn die Auffassung der Versicherung nicht wider der Vernunft und besseren Wissens stur bestritten wird, gut. Allein die Hartnäckigkeit macht sich oft bezahlt.
Ruft ein Versicherungsnehmer das Sachverständigenverfahren aus, korrigiert der Versicherer nicht selten seine Auffassung von der Schadenhöhe und schlägt eine Einigung in der Mitte zwischen den beiden Positionen vor. Ein erheblicher Teil der ausgetragenen Verfahren endet ohnehin in diesem Bereich – und verursacht auch dem Versicherer zusätzliche Kosten. Bei Meinungsverschiedenheiten über insgesamt kleine Schadenhöhen stehen die Kosten des Verfahrens allzu oft nicht in einem angemessenen Verhältnis. Besteht der Verdacht, dass ein Versicherer dies als Abschreckung ausnutzt und bei kleineren Schäden nicht angemessen leistet, können der Ombudsmann der Versicherer und/oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) darüber informiert werden. Ein konkreter Nutzen ist zumindest im Hinblick auf die Bafin davon zwar nicht zu erwarten – sofern sich Meldungen über ein bestimmtes Unternehmen häufen, wird aber möglicherweise durch die Bafin ermittelt.
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