Versicherungsantrag und Annahme durch den Versicherer
Inhaltsübersicht
Der Vertragsschluss bei einer KFZ-Versicherung unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen privatrechtlichen Vertragsschlüssen. In der KFZ-Haftpflichtversicherung besteht allerdings für den Versicherer ein gesetzlich festgelegter Kontrahierungszwang.
In der Regel umfasst der Weg zum Versicherungsvertrag vier Schritte:
Der Interessent führt einen Versicherungsvergleich Daten durch, der die für die Beitragshöhe relevanten Daten berücksichtigt
Der Versicherer unterbreitet schriftlich ein unverbindliches Angebot
Der Interessent unterschreibt den Versicherungsantrag
Der Versicherer sendet eine Bestätigung
Der Interessent legt die Bestätigung bei der Zulassungsstelle vor
Der Versicherer übersendet innerhalb einiger Wochen den Versicherungsschein samt Zahlungsaufforderung für den Erstbeitrag
Das Versicherungsvertragsgesetz schreibt Versicherungsunternehmen eine Reihe von Informationspflichten vor. In der seit 2008 geltenden Fassung schreibt das Gesetz dem Versicherer die Aushändigung von Informationen VOR der Abgabe der Vertragserklärung durch den Versicherungsnehmer vor. Der Versicherer muss in Schriftform seine Vertragsbestimmungen inklusive der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Informationen zum Widerrufsrecht zustellen. Das gilt ausdrücklich auch, wenn der Vertragsschluss telefonisch oder an der Haustür erfolgt ist und der Versicherungsnehmer schriftlich auf die Zustellung der Informationen verzichtet hat. Der Gesetzgeber will damit Verbraucher vor unzureichenden Informationen bei telefonischen und persönlichen Vertriebsmodellen schützen.
Im Einzelnen umfassen die vorvertraglichen Informationsverpflichten des Versicherers:
Produktinformationsblatt
Versicherungsinformationen
Versicherungsbedingungen
Die Notwendigkeit und die Bestandteile dieser Informationen sind in der „Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen“ (VVG-InfoV) festgehalten.
Auszuweisen sind gemäß § 1 VVG-InfoV unter anderem:
Der Gesamtpreis inklusive Steuern und sonstigen Preisbestandteilen
Der Einzelpreis jeder Versicherung, wenn mehrere selbständige Policen abgeschlossen werden
Angaben zu möglichen Fremdkosten sowie Kosten für die Nutzung von Fernkommunikationsmitteln, sofern solche Kosten in Rechnung gestellt werden
Angaben zu Beginn und Laufzeit sowie Mindestlaufzeit
Angaben zum Widerrufsrecht inklusive Adressat des Widerrufs und Rechtsfolgen
Angaben zu vertraglichen Kündigungsbedingungen
Informationen über außergerichtliche Beschwerdestellen (Ombudsmann)
Für das Produktinformationsblatt sieht § 4 VVG-InfoV im Detail vor:
Angaben zur Art des angebotenen Versicherungsvertrages,
Eine Beschreibung des durch den Vertrag versicherten Risikos und der ausgeschlossenen Risiken,
Angaben zur Höhe der Prämie in Euro, zur Fälligkeit und zum Zeitraum, für den die Prämie zu entrichten ist, sowie zu den Folgen unterbliebener oder verspäteter Zahlung,
Hinweise auf im Vertrag enthaltene Leistungsausschlüsse,
Hinweise auf bei Vertragsschluss zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung,
Hinweise auf während der Laufzeit des Vertrages zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung,
Hinweise auf bei Eintritt des Versicherungsfalles zu beachtende Obliegenheiten und die Rechtsfolgen ihrer Nichtbeachtung,
Angabe von Beginn und Ende des Versicherungsschutzes,
Hinweise zu den Möglichkeiten einer Beendigung des Vertrages.
Versicherungsnehmer haben ein Recht darauf, dass ihnen die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen „rechtzeitig“ vor der Abgabe ihrer Vertragserklärung zugestellt werden. Darunter ist keine bestimmte Zeitspanne, sondern eine Abfolge im Ablauf der Antragstellung zu verstehen. Wer online einen Versicherungsvertrag abschließt, enthält vor dem Anklicken des „Bestätigen“-Buttons die Möglichkeit, sämtliche Informationen herunterzuladen und zu sichten. Es liegt am Versicherungsnehmer, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und die Informationen gründlich durchliest.
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Vertragliche Informationen per E-Mail
Als „schriftlich und in Textform“ gilt nicht nur ein papierhafte Zustellung per Post bzw. eine persönliche Aushändigung. Der Versicherer kann seine Informationspflichten auch durch eine Übergabe der Informationen in elektronischer Form wahren und sie zum Beispiel im Anhang einer E-Mail senden. Das gewählte Medium muss die Speicherung und Wiedergabe der Informationen ermöglichen. Ein einfacher Link auf eine Unterseite der Homepage des Versicherers reicht nicht. Wird dem Versicherungsnehmer hingegen eine DVD mit den Informationen übersandt, reicht dies aus. Eine Ausnahme: Ist dem Versicherungsnehmer der elektronische Empfang nicht in zumutbarer Weise möglich (etwa weil er keinen PC besitzt), muss die Zustellung zwingend schriftlich erfolgen.
Das Versicherungsvertragsgesetz sieht auch die Möglichkeit vor, dass der Versicherungsnehmer auf die Aushändigung der Informationen verzichtet. Dieser Verzicht bezieht sich ausschließlich auf die Zeit vor dem Vertragsschluss und bewirkt automatisch, dass der Versicherer die Informationen unverzüglich nach dem Vertragsschluss nachreichen muss. Der Verzicht muss vom Versicherungsnehmer erklärt werden. Die Erklärung darf nicht zusammen mit dem Versicherungsvertrag unterschrieben werden – sonst ist sie unwirksam.
Die Annahme des Versicherungsvertrages durch den Versicherer erfolgt üblicherweise durch die Zusendung des Versicherungsscheins. Mit dieser tritt der Vertrag in Kraft. Um den vereinbarten Versicherungsschutz dann auch tatsächlich zu erhalten, muss der Versicherungsnehmer den Erstbeitrag zahlen – sonst steht dem Versicherer ein außerordentliches Kündigungsrecht bei vollständiger Leistungsfreiheit zu.
Vertragsschluss bei Vertreter-Besuch
Der Kundenbesuch durch Vertreter ist im Versicherungsgeschäft nach wie vor üblich. Auch bei einem Vertreterbesuch stehen dem Kunden sämtliche angesprochenen Informationsrechte zu. Der Vertragsschluss mit Vermittlern erfolgt in der Praxis häufig über einen Umweg. Rechtlich betrachtet stellt der Interessent keinen für ihn verbindlichen Antrag (also eine Willenserklärung, die durch Annahme durch den Versicherer in einen Vertrag müden würde), sondern fordert vom Versicherer die Abgabe eines für diesen verbindlichen Angebots.
Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist für den Interessenten noch nicht verbindlich, so dass zu diesem Zeitpunkt noch kein rechtskräftiger Vertrag entsteht. Händigt der Versicherer die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen zusammen mit dem verbindlichen Angebot aus (zum Beispiel durch Übersendung per Post), kann der Versicherungsnehmer sich bei Bedarf ausreichend Zeit nehmen und die Unterlagen sichten. Im Privatrecht sind solche Vorgänge nichts besonderes: Grundsätzlich steht es Vertragsparteien frei, wer ein Angebot unterbreitet und wer dieses annimmt.
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Widerrufsrecht und Folgen des Widerrufs
Verbrauchern steht nach dem Abschluss eines Versicherungsvertrages ein zweiwöchiges Widerrufsrecht zu. Es spielt dabei keine Rolle, ob ein Vertrag online, telefonisch, im Hause des Versicherers oder durch einen Vertreter zuhause zustande gekommen ist.
Das Versicherungsvertragsgesetz regelt das Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers in § 8 Abs. 1VVG unmissverständlich:
„Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.“
Ebenso deutlich regelt das VVG den Zeitpunkt, ab dem die zweiwöchige Frist zu laufen beginnt: „ Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem folgende Unterlagen dem Versicherungsnehmers in Textform zugegangen sind:
Der Versicherungsschein und die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie den weiteren Informationen gemäß § 7 Abs.1 und 2 und
eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs.
Auch das Widerrufsrecht ist nicht frei von Ausnahmen. Es besteht nicht für Verträge mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat. Solche Laufzeiten finden zum Beispiel bei Urlaubs-Kaskoversicherungen Anwendung.
Auch die vorläufige Deckung kann nicht widerrufen werden. Die vorläufige Deckung gilt vom Zeitpunkt der Aushändigung der Versicherungsbestätigung bis zum Einlösen des Versicherungsscheins. Juristisch betrachtet handelt es sich dabei um einen eigenständigen Vertrag. Auch die Ausnahme kennt eine Ausnahme: Ist der Vertrag über die vorläufige Deckung im Wege eines Fernabsatzvertrages zustande gekommen, gibt es ein Widerrufsrecht. Dem Versicherungsnehmer steht für die vorläufige Deckung ein jederzeitiges Kündigungsrecht zu (B.2.5 AKB 2008).
Der Versicherungsnehmer kann auf sein Widerrufsrecht verzichten. Das VVG sieht vor, dass das Recht zum Widerruf erlischt, „wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Versicherungsnehmers vollständig erfüllt ist, bevor der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht ausgeübt hat“. (§8 Nr. 3 VVG).
Übt der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht aus, muss er meistens eine Zahlung an den Versicherer leisten. Hat der Versicherer seine gesetzlichen Informationspflichten erfüllt und hat der Versicherungsschutz vor dem Zugang des Widerrufs beim Versicherer begonnen, hat der Versicherungsnehmer in der Zwischenzeit eine Leistung (Absicherung des Risikos) in Anspruch genommen. Für diese Leistung steht dem Versicherer eine Entschädigung zu. Er kann die Prämie anteilig für den Zeitraum in Rechnung stellen.
Belehrt der Versicherer den Versicherungsnehmer nicht gesetzeskonform über sein Widerrufsrecht, steht dem Versicherungsnehmer ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht zu.
Vertragsschluss bei abweichendem Versicherungsschein
Mitunter nimmt der Versicherer den Antrag des Versicherungsnehmers mit Abweichungen an. Grundsätzlich könnte unter diesen Umständen kein wirksamer Vertrag zustande kommen: Juristisch handelt es sich bei einer abweichenden Annahme um ein neues, der Annahme durch den Empfänger bedürftiges Angebot. Schweigen gilt im Privatrecht nicht als Zustimmung (jedenfalls nicht bei Verträgen mit Verbrauchern).
Das Versicherungsrecht kennt mit der so bezeichneten Billigungsklausel eine Ausnahme: Die Abweichung gilt als durch den Versicherungsnehmer genehmigt, wenn dieser nicht binnen eines Monats nach Empfang des geänderten Versicherungsscheins widerspricht. Voraussetzung ist, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer auf die vorgenommenen Abweichungen und die einmonatige Frist hinweist. Kommt der Versicherer diesen Informationspflichten nicht nach, gilt der Vertrag als zu den Bedingungen geschlossen, die der Antrag des Versicherungsnehmers vorsah.
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