Die überwiegende Zahl der Fahrzeughalter in Deutschland kann nicht wählen, ob eine KFZ-Haftpflichtversicherung abgeschlossen wird oder nicht. Das Pflichtversicherungsgestez schreibt den Besitz einer Versicherung grundsätzlich vor. In § 1 Pflichtversicherungsgesetz ist festgelegt:
„Der Halter eines Kraftfahrzeugs oder Anhängers mit regelmäßigem Standort im Inland ist verpflichtet, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personenschäden, Sachschäden und sonstigen Vermögensschäden nach den folgenden Vorschriften abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen (§ 1 des Straßenverkehrsgesetzes) verwendet wird“.
Eine Befreiung ist ausschließlich Fahrzeughaltern vorgesehen, die auch Schäden in großer Höhe aus eigener Kraft decken können. Dazu zählen der Bund, die Länder, Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern, Gemeindeverbände und Zweckverbände (deren Risiken von Bund, Ländern oder größeren Städten gedeckt werden).
Auch einige Fahrzeuge sind von der Versicherungspflicht ausgenommen. Gemäß § 2 Pflichtversicherungsgesetz handelt es sich dabei um KFZ mit einer Höchstgeschwindigkeit von maximal 6 km/h, nicht zulassungspflichtige Anhänger und selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h. Bei diesen Fahrzeugen wird davon ausgegangen, dass sie keine allzu großen Schäden anrichten können.
Das Straßenverkehrsgesetz legt fest, um was es sich bei einem KFZ handelt und wer als Fahrer, Halter und Eigentümer eines Fahrzeugs gilt.
Ein KFZ ist jedes Landfahrzeug, das durch Motorenkraft bewegt wird und nicht an Bahnschienen gebunden ist.
Als Fahrer gilt diejenige Person, die das Fahrzeug steuert ODER eine Tätigkeit verrichtet, die als typische Tätigkeit eines Fahrers einzustufen ist (z. B. Rangieren, Einparken, Vorbereiten zur Entladung).
Der Halter des Fahrzeugs, für dessen Rechnung ein Fahrzeug in Gebrauch ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um privaten oder betrieblichen Gebrauch handelt. Der Halter ist im Besitz der Verfügungsgewalt über das Fahrzeug. Dennoch ist er nicht der rechtliche Eigentümer.
Eigentümer eines Fahrzeugs ist derjenige, der es rechtskräftig erworben hat (Kauf, Schenkung, Erbschaft etc.). Der Eigentümer ist im Besitz des Fahrzeugbriefs.
Kontrahierungszwang: Das Recht auf eine KFZ-Haftpflichtversicherung
Das Gesetz sieht einen grundsätzlichen Kontrahierungszwang zulasten von KFZ-Versicherern vor: Stellt ein Interessent einen Antrag, muss der Vertrag meistens auch angenommen werden.
§ 5 Pflichtversicherungsgesetz sieht allerdings einige Ausnahmen vom Kontrahierungszwang vor. Der Versicherer muss ein Vertragsangebot nicht annehmen, wenn sachliche oder örtliche Beschränkungen dagegen sprechen. Örtliche Beschränkungen betreffen Versicherungsunternehmen, die nur regional tätig sind. Eine sachliche Beschränkung kann z. B. vorliegen, wenn nur bestimmte Berufsgruppen oder bestimmte Automarken versichert werden.
Ein Annahmezwang besteht ferner nicht, wenn vor dem Antrag bereits ein Vertrag mit dem Antragsteller bestand und im Vertragsverlauf Probleme aufgetreten sind. Darunter ist Anfechtung des Vertrages durch den Versicherer aufgrund von arglistiger Täuschung ebenso zu verstehen wie ein Rücktritt des Unternehmens vom Vertrag aufgrund der Nichtzahlung der ersten Prämie oder der Verletzung der vorvertraglichen Informationspflichten durch den Versicherungsnehmer. Auch wenn der Versicherer den Vertrag wegen Zahlungsverzugs (im Zusammenhang mit ausstehenden Folgeprämien) oder nach einem Versicherungsfall gekündigt hat, kann er Interessenten ablehnen.
Der Kontrahierungszwang beschränkt sich auf Versicherungsschutz bis zur Höhe der gesetzlichen Mindestdeckungssummen in der KFZ-Haftpflicht. Für Personenschäden sieht das Gesetz eine Mindestdeckung in Höhe von 7,5 Millionen Euro vor. Bei Sachschäden beträgt die Mindestdeckungssumme 1,12 Millionen und bei Vermögensschäden 50.000 Euro. Diese Summen beziehen sich nicht auf Fahrzeuge mit mehr als neun Sitzen inklusive Fahrersitz und gelten auch nicht für Fahrzeuge, die zur entgeltlichen, gewerbsmäßigen Personenbeförderung dienen.
Für Zweiräder und KFZ bis 1 Tonne Nutzlast, die nicht als Taxi oder zur Vermietung dienen, gilt seit 1995 die Annahme des Versicherungsvertrages als rechtswirksam erfolgt, wenn der Versicherer nicht binnen zwei Wochen entweder den Antrag auf dem Postweg ablehnt oder ein neues Angebot unterbreitet.
Beispiel zur Annahme aufgrund des KontrahierungszwangsHerr M. Stellt einen Antrag zur Aufnahme in die KFZ-Haftpflichtversicherung beim Versicherer V. Er möchte neben einer Haftpflicht- auch eine Kaskoversicherung abschließen. Der Sachbearbeiter stellt fest, dass der frühere Versicherer von M. Diesem einige Wochen zuvor gekündigt hatte. M. Hatte seine Beiträge nicht bezahlt.
Hier liegt keine Ausnahme vom Kontrahierungszwang vor. Der Versicherer muss M. Versichern. Ein Ausschlussgrund läge vor, wenn der Versicherer selbst wegen Beitragsrückständen gekündigt hätte. Zahlungsverzug bei einem anderen Versicherer ist aber nicht relevant. Der Kontrahierunsgzwang beschränkt sich allerdings auf die Haftpflichtversicherung.
Herr M. Kann deshalb mit folgendem Verhalten des Versicherers rechnen. Das Unternehmen wird den Abschluss der Haftpflichtversicherung zulassen, soweit der Vertrag die gesetzliche Mindestdeckung nicht überschreitet. Die vorläufige Deckung in der KFZ-Haftpflicht wird dementsprechend teilweise gekündigt. Die vorläufige Deckung in der Kaskoversicherung wird ganz aufgehoben.
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Ausländerpflichtversicherungsgesetz
Das Pflichtversicherungsgesetz sieht auch für Fahrzeuge eine Versicherungspflicht vor, deren regelmäßiger Standort sich im Ausland befindet. Bei der Einreise in die BRD muss eine ausreichende Versicherung nachgewiesen werden. Stellt sich an der Grenze heraus, dass der bestehende Schutz nicht ausreicht, muss ein „Grenzversicherungsschein“ erworben werden.
Wer ins Ausland reist, muss dort ebenfalls einen ausreichenden Versicherungsschutz nachweisen. In Mitgliedsländern der EU reicht dafür das amtliche Kennzeichen aus.
Verkehrsopferhilfe
Opfern von Verkehrsunfällen kann es trotz flächendeckender Versicherungspflicht passieren, dass ihre Ansprüche nicht gedeckt sind. Das gilt z. B. Bei Unfallflucht: Bleiben Fahrzeug und Fahrer des Unfallverursachers unbekannt, lassen sich Ansprüche nicht geltend machen. Auch wenn der Verursacher eines Unfall gesetzeswidrig ohne KFZ-Haftpflicht fährt, ist keine Versicherung zuständig. Schließlich kann die dem Grunde nach zuständige Versicherung die Leistung ablehnen, wenn der Unfall vom Fahrer vorsätzlich verursacht wurde.
In diesen Fällen können sich Betroffene an den Verein „Verkehrsopferhilfe e. V.“ in Hamburg wenden. Mitglieder des Vereins sind alle Versicherungsunternehmen, die in Deutschland KFZ-Versicherungen verkaufen. Liegt eine der obigen Situationen vor, ersetzt die Verkehrsopferhilfe den entstandenen Schaden.
Wer bei der Verkehrsopferhilfe einen Antrag auf Leistungen stellt, muss nachweisen, dass die entstandenen Ansprüche anderweitig nicht geltend gemacht werden können. Anderweitig bedeutet z. B. Durch Krankenkassen, den Arbeitgeber, eine Kaskoversicherung oder direkt beim Fahrer oder Halter. Die Verkehrsopferhilfe ersetzt bei Personenschäden maximal 2,5 Millionen Euro, wenn eine Person verletzt wurde. Wurden mindestens drei Personen verletzt, erhöht sich die Zusage auf maximal 7,5 Millionen. Für Sachschäden steht der Verein bis 500.000 Euro ein. Vermögensschäden werden nicht ersetzt.
Bei Unfallflucht werden Schäden am Fahrzeug nicht ersetzt. Für sonstige Sachschäden gilt ein Selbstbehalt des Unfallopfers in Höhe von 500 Euro. Schmerzensgeld zahlt die Verkehrsunfallhilfe nur bei besonders gravierenden Verletzungen.
Die Leistungen der Verkehrsopferhilfe bleiben damit deutlich hinter dem gesetzlichen Minimum der KFZ-Haftpflicht zurück. Das kann durchaus so beabsichtigt sein, weil damit ein Anreiz gesetzt werden soll, den Unfallverursacher aufzuspüren. Andererseits müssten die Mitglieder des Vereins bei einem vollzogenen Versicherungsfall die gesetzliche Mindestdeckung bereitstellen.
Entschädigung im Konkursfall
Ein weiteres Risiko für Unfallopfer besteht darin, dass der zuständige Versicherer zahlungsunfähig wird. In Deutschland kam es im Jahr 2010 erstmals in der Geschichte überhaupt zum Konkurs eines in Deutschland tätigen KFZ-Versicherers (der Sitz des Unternehmens waren die Niederlande). In diesem Fall tritt auch die Verkehrsopferhilfe ein. Ihre Zuständigkeit beginnt, wenn über das Vermögen des zuständigen Versicherungsunternehmens ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Fonds muss Opfer entschädigen und kann sie anders als z. B. Bei Unfallflucht nicht zunächst an die Krankenkasse oder den Arbeitgeber verweisen.
Die Zulassung eines Fahrzeugs beim Straßenverkehrsamt erfordert eine Bestätigung des Versicherers – ohne diese Bestätigung ist keine Zulassung möglich.
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